Linda Bacon, Autorin eines meiner liebsten Bücher zum Thema „Dick und gesund“, nämlich „Health at every Size“ schreibt in ihrem HAES-Blog über die Diätindustrie, die eigentlich eine Ab- und-Wieder-Zunehm-Industrie ist. Außerdem erwähnt sie einen Punkt, den viele Body-Acceptance-Blogger_innen auch schon entdeckt haben: Jemand, der versucht, sein abgenommenes Gewicht zu halten, schafft das in den allermeisten Fällen nur, indem er Methoden anwendet, die einer Essstörung gleichen. Und das soll gesünder sein als dick zu sein? Ich bezweifele es stark.
„Why do we call it the “weight loss industry” when what we really get for our time, sacrifice, and money is weight cycling? 19 times out of 20, what we are really purchasing is the experience of weight loss and regain. (…)
Of 100 people trying to lose weight, the vast majority of people will regain weight. Some significant group – perhaps a third – will gain more weight than they lost. Some tiny number (7? 5? 3?) will maintain their weight loss, and of that group, some number from 0-4 of them will be flirting with, developing, or fortifying an eating disorder. Yes, you read me right. (…) If you read the practices of the people quoted in the Weight Management Registry, a group of several thousand people who have lost at least 30 pounds for at least 1 year, you will see some of the same practices and preoccupations we diagnose in people with eating disorders, including daily weighing, immediate compensation on the occasion of weight gain, logging every bite of food, exercising more than 90 minutes/day, etc.“
Leslie von Two Whole Cakes hat die eingangs erwähnten Methoden in schöne Worte gefasst:
„Fat people are often supported in hating their bodies, in starving themselves, in engaging in unsafe exercise and in seeking out weight loss by any means necessary. A thin person who does these things is considered mentally ill. A fat person who does these things is redeemed by them.”
Jeanette Winterson schreibt über ein Buch von Elizabeth Robins Pennell (1855–1936), A Guide For The Greedy By A Greedy Woman, das 1896 erschien und Frauen dazu ermunterte, gierig zu sein. Essen zu genießen, anstatt von viktorianischen Winzportionen zu leben. Könnte heute glatt neu veröffentlicht werden.
„Written in the 1890s as a series of magazine essays and later made into a book, this greedy guide was a direct challenge to late-Victorian notions of femininity and appetite. Middle and upper-class women were taught from girlhood that femininity depended on modesty and restraint – and what could be more restraining than a corset? Have you ever tried eating in a full-length lace-up corset? You might as well wire your jaw shut.
A man could guzzle and gobble, drink and womanise. A woman was expected to be delicate and dainty in her appetites both sexual and gourmand. But the greedy guide encourages women to enjoy coffee, cigarettes, cognac, foie gras, kippers, geese, gravy and sauces; Epicurean enjoyments that would certainly need a looser-laced corset. (…)
ERP was radical in her belief that women should enjoy cooking. She was writing for a class of women who could afford a cook – not nearly as expensive in real terms as it would be today – but for whom it was a matter of class politics and snobbery not to cook DIY. To campaign for eating as the natural result of cooking repairs a badly damaged link in the female psyche – one that goes on needing to be repaired.
Now, while celebrity chefs do their best to seduce us into cooking, the pinging microwave and the ready-meal chops up the sensual connection between preparation, anticipation, and the well-earned leisure of sitting down to a lovely meal you have made. Which is why reading ERP on food is absurd and uplifting; she returns to cooking and eating the one ingredient that is more expensive than truffles or caviar: time. We have foodstuffs everywhere, more than at any other moment in history, yet no time to cook well or to eat well.
Time – even tiny amounts of it, can be enjoyed in food preparation. The sandwich is ERP’s fast-food – and her descriptions of wrapped paper packages and snow-chilled Alsace transform the office lunch into an encounter with the infinite. “Between slices of good bread place thick uncompromising pieces of beef or mutton… lettuce, celery, watercress, radishes, not one may you not test to your own higher happiness… and your art may be measured by your success in proving the onion to be the poetic soul of the sandwich.”
Sandwiches have souls. Who knew?“
(Danke an Anne Schüßler für den Hinweis.)
Im letzten Eintrag erwähnte ich die vielen Keksboxen, die zur Adventszeit auf uns warten – und die leider viele Frauen in Schuldgefühle stürzen, denn wo kommen wir denn da hin, wenn wir einfach so einen Keks essen, ohne uns deswegen schlecht zu fühlen. Eine amerikanische Empfangsdame, die neben einem Süßigkeitenglas sitzt, hat deswegen eine Notiz verfasst, die ihr bitte beherzigen dürft.
Hier ist das Foto. Sehr frei übersetzt lautet die Notiz: „Süßigkeiten – wer will, darf sich was nehmen. Bitte kein Gequatsche über Diäten oder warum du dir das jetzt verdient hast. Einfach nehmen und essen.“
Die Mehrheit der Menschen glaubt leider, dass Dicksein alleine reicht, um quasi todkrank zu sein. Dass dem nicht so ist, weiß jeder dicke Mensch, der gesund ist, und jeder dünne, der krank ist. Aber nun gut. Wie leicht man etwas für seine Gesundheit tun kann, ohne sich dabei Diätterror und Hungerregimen zu unterwerfen, zeigen diverse Studien, die netterweise allmählich auch in den Medien ankommen. Das Zauberwort für ein gesundes Leben (sofern wir das beeinflussen können), lautet nicht „abnehmen“, sondern „bewegen“.
Nochmal ein leider: Die meisten glauben, „bewegen“ hieße: unter einem Marathonlauf lohnt sich eh nix. Blödsinn. In der „Nudeldicken Deern“ zitiere ich die Bewegungspyramide, die besagt, dass 30 Minuten Bewegung täglich schon ausreichen, um fit zu bleiben. Und mit „fit“ meine ich nicht den Triathleten von nebenan, sondern uns Zivilisationspuschel, die es in hunderten von Jahren geschafft haben, die Bewegung aus dem Alltag zu verbannen – weswegen wir sie jetzt wieder reinkriegen sollten.
Nochmal: Diese 30 Minuten müssen nicht mit Gewichtheben im Fitnessstudio verbracht werden. Es reicht, ein paar Stationen früher aus dem Bus auszusteigen. Mal die Treppen zu nehmen anstatt den Fahrstuhl. In der Mittagspause und abends ein kleiner Spaziergang um den Block. Zum Einkaufen zu Fuß gehen. Wenn du einen Hund hast, ist dein Fitnessprogramm auch schon erledigt.
Regan von „Dances with Fat“, meinem erklärten Lieblingsblog, wenn es um Fetthysterie und die angeblich so schlimme Adipositas-Epidemie geht, erläutert das ganze nochmal ausführlicher. Sie zitiert außerdem eine Studie, die die Mortalitätsrate und den Fitnesslevel in Beziehung setzt. Ihr Ergebnis: schlanke und fitte Männer haben fast die gleiche, niedrigere Sterbewahrscheinlichkeit (seltsames Wort) wie dicke bzw. stark übergewichtige und fitte Männer. (Ich hoffe mal, für Frauen gilt dasselbe.) Was die Mortalitätsrate nach oben gehen lässt, ist nicht alleine das Gewicht, sondern der Fitnesslevel.
Und einen schicken Film gibt’s auch noch zum Thema, in dem die weiteren Vorzüge von Bewegung erläutert werden: Niedrigere Depressionsraten gehören auch dazu, was jede/r bestätigen kann, der oder die mal die Endorphine genossen hat, die sich einstellen, wenn man lustvoll schwitzt. Womit ich zum entscheidenden Punkt komme: Für viele Dicke ist Bewegung eine Strafe. Wir haben so oft Diäten gemacht, in denen Sport nur dazu diente, Kalorien zu verbrennen. Seitdem ich mich freiwillig bewege, ist Sport wieder das, was er sein soll: unglaubliche Freude. Eben das Endorphin-High, wenn mir der Schweiß den Nacken runterläuft, wenn ich auf meinem Laufband unterwegs bin (walkend, nicht joggend). Ich freue mich darüber, was mein dicker Körper alles kann, denn ihm wird von der Gesellschaft gerne bescheinigt, nicht viel zu können. Blödsinn. Er trägt mich. Er fordert mich. Er beschützt mich vor dusseligen Bewegungen, indem er mir mitteilen kann, was ihm gut tut. Und inzwischen höre ich wieder auf ihn. Anstatt ihn zu ignorieren, wenn er mir sagt, ich mag heute nicht rennen, gönne ich ihm einen Tag Pause, verwöhne ihn mit gutem Futter und freue mich darauf, dass er morgen wieder bewegt werden will.
Lustvolle Bewegung ist ein ganz anderer Schnack als das beknackte „Ich muss mal wieder zum Sport“ oder „Ich sollte wirklich mal wieder was für mich tun“, was man so gerne hört, wenn Frauen sich über Essen unterhalten. Jetzt zur Adventszeit, wo in jeder Büroküche kiloweise Kekse liegen, kann man diesem Quatsch kaum noch ausweichen. Nimm dir nen Keks. Genieß ihn. Genauso wie du es genießen kannst, im Schnee spazieren zu gehen. Oder durch Laubhaufen zu rennen. Oder mit deinen Kindern Schlittenhügel zu erklettern. Jede Bewegung ist gut, und jede Bewegung macht Spaß, wenn man sie nicht als Mittel zum Zweck des Kalorienverbrennens ansieht, sondern als kleine Party für den Körper und die Seele.
„Fat people who love themselves scare the shit out of people who don’t love themselves. Even fat people who are TRYING to love themselves scare the shit out of people who can’t do the same. We force people to have to look at why they hate their bodies because we are “supposed” to hate ours and we don’t. And sometimes they have no idea what to do with that, so they act like assholes.“
(via Love Your Body Detroit)