(Dieser Post gehört zu einem Post von Lizas Welt, der sich mit der 3. Folge beschäftigt. Die 3. Folge wird am 28. Februar, die 4. am 6. März ausgestrahlt. Wir hatten bereits vor der Sendung Gelegenheit, uns die beiden Schmuckstücke anzuschauen und legen sie euch beide dringend ans Herz.)
Warum ich euch die vierte Folge vorstelle? Weil es darin um eine dicke Frau geht. (Dafür bin ich ja neuerdings anscheinend Expertin.) Tatortreiniger Schotty muss sich diesmal um die Überreste eines Therapeuten kümmern, der sogar aus dem Jenseits mit ihm kommuniziert. Was ich neben den wundervollen Dialogen und Darsteller_innen an der Sendung so mag, ist, dass sie sich nicht in ein Korsett zwängt, sondern einfach mal macht. Warum soll Schotty an seinem Arbeitsplatz nicht noch mit der Seele des Verstorbenen kommunizieren können? Genau. Machen.
Die beiden diskutieren über Träume und Wünsche, auch Traumfrauen, bei denen Schotty als erste Wunscheigenschaft „schlank“ nennt (klar, ist ja auch wichtiger als alles andere), dass es ja schon toll wäre, wenn sich im eingespielten Leben mal was Überraschendes ereignen würde, womit man so gar nicht rechnet … und in dem Moment klingelt es an der Tür. Dort steht Rebecca, komplett unschlank, die bei Doktor Falkenbach in Behandlung war. Sie will sich von ihm verabschieden, Schotty diskutiert mit dem Therapeuten, während Rebecca vor ihm steht, sie kriegt einen Satz über dicke Frauen in den falschen Hals – und anstatt rumzupiepsen, wie zu Beginn ihrer Behandlung, haut sie ihm ein „Sie sind ein Arschloch“ um die Ohren und geht.
Sie muss allerdings noch wiederkommen, weil sie ihre Tasche vergessen hat, und Schotty fängt nochmal an. Die beiden trinken Kaffee, Schotty erinnert sich an sein Gespräch mit Falkenbach:
„Ich steh einfach nicht auf Dicke.“
„Mit wie vielen dicken Frauen hatten Sie denn schon was?“
„Ich sach jetzt ma ga nix mehr.“
„Trotzdem wissen Sie, dass sie nichts für Sie sind? Vielleicht werden Sie überrascht.“
… und lädt Rebecca spontan zum Abendessen ein.
Als dicke Frau wird jetzt von dir erwartet, dankbar zu sein. Wie lieb von irgendwem, dass er sich deiner erbarmt und dich ausführen will. Macht ja niemand, weil er dich toll findet, sondern weil er Mitleid mit dir hat. In kaum einer Sitcom wird der ach so lustige „pity fuck“ weggelassen, wo sich ein schlanker Mann dazu herablässt, mit einer dicken Frau was anzufangen, denn die seien ja so dankbar.
Es gibt kaum Szenen, die mich wütender machen als dieser Quatsch. Das Dumme ist: Sie machen mich erst seit kurzem wütend, weil ich jahrelang so einen Rotz geglaubt habe. Natürlich kann mich niemand mögen, ich bin ja fett und eklig. Dass ich gleichzeitig unterhaltsam, talentiert, lustig und was weiß ich noch bin, habe ich gepflegt ignoriert, denn das Wichtigste ist meine Körperform. Der Rest der Welt reduziert mich darauf – jedenfalls beim ersten Kennenlernen –, und weil wir alle wissen (angeblich), dass alleallealle Menschen auf dieser Welt Dicke doof finden, KANN mich niemand toll finden.
Diese Denke mag für schlanke Menschen schwer nachzuvollziehen sein, aber als dicker Mensch zieht man sich diesen Schuh wirklich an. Einfach weil es kaum positive Reaktionen auf dicke Menschen gibt. In so gut wie allen Filmen und Serien sind die Dicken ständig am Fressen, dienen als Comedyfutter, weil sie sich ja so lustig bewegen und so ungelenkig sind und so tollpatschig, klar, sind wir alle, immer, logisch. Es gibt kaum Darstellungen von erfolgreichen, liebenswerten, herrgottnochmal NORMALEN dicken Menschen, denn wir sind normal, auch wenn uns dauernd eingeredet wird, dass wir es nicht sind.
Zurück zu Schotty, der wahrscheinlich ein dankbares Lächeln auf seine Einladung erwartet – aber eine andere Reaktion bekommt, die ihn ziemlich aus der Bahn wirft, weil sie sein recht schlichtes Weltbild erschüttert. (Dieses Weltbild unterstelle ich übrigens ner Menge Leute.) Auch auf sein klassisches „Argument“, dass ein dünner Mensch nie einen dicken attraktiv finden könnte, hat Rebecca eine passende Frage:
„Finden Sie lange blonde Haare attraktiv?“
„Ja, schon.“
„Trotzdem haben Sie selber kurze braune.“
„Das kann man ja nicht vergleichen.“
„Wieso nicht?“
Genau. Wieso nicht? Ich glaube, niemand sucht einen Partner oder eine Partnerin, die ihm oder ihr aufs Haar gleicht. Wäre auch sehr creepy. Wenn ich die Kerle Revue passieren lasse, an die ich mein Herz mal verschenkte, war da so ziemlich alles bei: schlank, nicht schlank, blond, braun-, rot-, schwarzhaarig, mit Brille, ohne Brille, klein, groß, riesengroß. Was sie alle gemeinsam hatten: Sie waren scheiße schlau und haben mich zum Lachen gebracht. Und als Schotty auffällt, dass die dicke Frau ihm gegenüber wohl doch mehr ist als nur eine Zahl auf der Waage, hat sie sich schon verabschiedet.
„Geschmackssache“ tut an manchen Stellen weh, weil Schotty eben den üblichen Sülz ablässt, den man sich als dicker Mensch dauernd anhören muss (meist noch garniert mit „Ich mein’s ja nur gut“). Es überwiegt aber eindeutig ein sehr wohltuendes Gefühl, dass ich endlich mal eine dicke Frau zu sehen bekomme, die a) sich nicht dadurch definiert, dass sie dick ist und b) sich selbstbewusst herausnimmt, Ansprüche an ihren Traummann zu stellen anstatt, wie es von uns erwartet wird, dankbar zu sein, dass sich überhaupt einer mit uns sehen lassen will. Tolle Folge einer tollen Serie. Hoffentlich bleibt es nicht bei den lausigen vier Folgen, die es bisher gibt. Wie heißt es bei „Community“ so schön? Six seasons and a movie. Gerne.
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In diesem Zusammenhang: Fat Bechdel Test.
Sehr schöner Artikel auf This Ain’t Livin’, dem Blog von S. E. Smith, über die gängigen Moralvorstellungen, die sich um Essen drehen, über Schuldgefühle, eingebildete Tugenden und die extrem beknackte Idee, sich dafür zu beglückwünschen, sich selbst erfolgreich bekämpft zu haben:
„This is not about whether people should love or hate their bodies, or about how people should navigate their own relationships with their bodies. It is about the ways in which society encourages a disconnect from the body, rewards people who ‘control’ their bodies by effectively turning them off and refusing to listen. It is also about a society where certain bodies are considered controlled and others are not, and by extension, people in control are considered virtuous while others are not. Lack of willpower, loss of control, are believed to be negative personality traits which can be read in the body. After all, if someone was in control, the body would be thin and lean and hard and it would conform with a specific beauty ideal. It wouldn’t be soft and fat.“
Ein Artikel in der NYT schreibt über einen neuen Trend, der eigentlich uralt ist: „mindful eating“, also bewusstes Essen. Kurz gesagt: sich wieder aufs Essen zu konzentrieren anstatt es nebenbei runterzuschlingen. Sich darüber klar zu sein, dass man isst anstatt nebenbei fernzusehen, zu lesen, im Netz zu surfen, autozufahren. Und: Essen zu genießen. Darüber nachzudenken, wo es herkommt, wie es zubereitet wurde, jedem Bissen nachzuschmecken, Texturen zu fühlen, Geschmacksnuancen wahrzunehmen.
Im Artikel wird leider wieder der Bogen zu angeblichen Übergewichts-Epidemie geschlagen, was euch aber trotzdem nicht abhalten sollte, den Text zu lesen und euch vielleicht ein paar Dinge mitzunehmen. Ich persönlich halte nichts davon, jeden Bissen 25 Mal zu kauen, um mir bewusst zu werden, dass ich gerade Müsli esse. Aber ich finde es großartig, mich darauf zu konzentrieren, was ich gerade im Mund habe: knackige Körner, die leicht von der Milch aufgeweichten Cornflakes, den krachigen Apfel, den ich hineingeschnitten habe, die süßen Weintrauben, die im Mund zerplatzen.
Ich weiß, dass wir als Diätgeschädigte ein sehr ungesundes Verhältnis zum Essen entwickelt haben – ich jedenfalls. Sobald ich anfing zu essen, stritten sich zwei Emotionen in mir. Ich war hungrig (trotz toller Diätpläne und Vorsätze und Disziplin und dem ganzen Scheiß), und deswegen wollte ich essen. Der Plan sah nun aber nicht die Portion vor, die ich gerne gehabt hätte. Ich wusste, sie würde mir nicht reichen, weswegen ich es sehr schwer fand, mich über das Essen zu freuen. Es fühlte sich an wie eine Fernbeziehung, in der man sich nur am Wochenende sieht, und man fängt Freitag schon an, sich vor dem Sonntag zu fürchten, an dem man sich wieder trennt, weswegen man die Zeit überhaupt nicht genießen kann.
Die zweite Emotion war ähnlich: Jede Mahlzeit war ein Test in Selbstbeherrschung anstatt Genuss und Nahrung. Jede Mahlzeit hieß: wissen, dass ich nicht genug bekomme und mich selbst davon zu überzeugen, dass es aber doch genug sei. Als Verlockung im Hintergrund waberte immer der Gedanke: Nimm doch noch nach. Koch doch einfach mehr als im Plan vorgesehen. Iss doch mal, so viel du willst. Weswegen keine Mahlzeit eine Mahlzeit war, sondern ein ewiger innerer Kampf.
Das hat sich inzwischen netterweise sehr geändert. Inzwischen ist Essen Genuss, und um dahin zu kommen, ist bewusstes Essen ein guter Weg, denn es bedeutet auch: auf sich selbst zu hören, wann man hungrig ist und wann man satt ist. Ich merke selbst an mir, dass ich gar nicht mitbekomme, was genau ich esse, wenn ich nebenbei eine Serie weggucke oder ganz dringend meine Mails abrufen muss. Ich merke aber auch, um wieviel mehr Genuss ich empfinde, wenn ich wirklich nur esse. Nicht mal besonders langsam und wie gesagt, ich kaue nix 25 Mal zu Brei, aber eben bewusst. Ich schaffe es nicht bei jeder Mahlzeit, aber ich habe es mir angewöhnt, in meiner Mittagspause erstmal nur zu essen, bevor ich mein unvermeidliches Buch aus dem Rucksack ziehe und mich geistig für eine halbe Stunde aus der Welt ausklinke (sehr empfehlenswert, aber das nur so nebenbei). Ich versuche, auch abends, wenn ich sehr hungrig aus der Agentur komme, nach dem Kochen nicht alles in zwei Minuten runterzuschlingen, sondern mir bewusst zu machen, was ich da gerade für mich oder uns gezaubert habe. Und selbst wenn es nur eine Portion Nudeln mit Tomatensauce ist, wird in meinem Mund und durch meine Sinne ein Festmahl daraus – wenn ich es zulasse.
Bewusstes Essen kann unser gestörtes Verhältnis zum Essen verbessen. Fühlen, was man isst. Den Geschmacksnoten nachspüren. Zutaten erst einmal anfassen, „be-greifen“, an ihnen riechen, sich vergegenwärtigen, was für wunderbare Geschmäcker sich in ihnen verbergen. Und vielleicht ein kleiner Moment der inneren Einkehr, bevor man sich über sie hermacht. Das muss kein Tischgebet sein, aber mal kurz Danke zu sagen, bedeutet mir inzwischen sehr viel. Meistens bedanke ich mich bei mir selbst, dass ich so feines Fresschen produziert habe. Was eine sehr andere Art ist, mit mir umzugehen, nachdem ich jahrelang damit beschäftigt war, mich und meinen Körper zu hassen.
Also nochmal: Genieß dein Essen. Mach es dir bewusst. Sei gut zu dir. Eigentlich ganz einfach.
(Link via @jungspund)
Miss Bartoz ist eine Website, auf der man sich als dicke Frau eine Menge guter Tipps abholen kann, was Styling angeht. Die Betreiberin der Seite hat ein kleines Interview mit mir über die „Deern“ und ihre Inhalte geführt. Hier kannst du es lesen.
Ich versuche ab und zu, euch Filme oder Fernsehsendungen vorzustellen, in denen dicke Frauen mal NICHT die ganze Zeit damit beschäftigt sind, sich scheiße zu finden oder abzunehmen. „Bridesmaids“ hat mir zwar nicht so riiiichtig gut gefallen, aber eine der Figuren darin sehr. Megan wird von Melissa McCarthy gespielt, die sich letztes Jahr einen Emmy abholen durfte für ihre Rolle in „Mike & Molly“, eine Sitcom, in dem oh mein Gott ein dicker Mann und eine dicke Frau die Hauptrollen spielen. Blöderweise spielt diese Sitcom sehr oft mit den Klischees, dass wir Dicke nur ans Essen denken oder den ganzen Tag zu Selbsthilfegruppen rennen wie Overeaters Anonymous. Deswegen ist die Serie nicht so ganz mein Liebling. Dann schon eher „Bridesmaids“. Für ihre Rolle in diesem Film ist McCarthy für den Oscar nominiert, der Ende Februar vergeben wird. Ich drücke die Daumen.
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So schön ich es finde, dass ausschließlich Frauen die Hauptrollen in dieser Buddy-Komödie spielen, so dämlich finde ich es, dass sie genau so dusselig und überzogen reagieren wie in den derzeit angesagten Buddy-Komödien. Genau deswegen kann ich die nämlich nicht ertragen. In 30-minütigen Serien-Set-ups wie The Office oder Up All Night finde ich es unterhaltsam, wenn die Portagonist_innen sich in Situationen manövrieren, die vor Peinlichkeit nur so stotzen. Auf zwei Stunden ausgedehnt, zerrt es ungemein an meinen Nerven. Bei Jungs allerdings mehr als bei Mädels, weil erstere gerne in Sexismen baden (Männergespräche, nudge-nudge).
In Bridesmaids (Brautalarm) wird „lustig“ gekotzt, gekackt und nebenbei eine Hochzeit geplant, was eigentlich egal ist, denn wir konzentrieren uns auf die Hauptfigur Annie, die gerade ihre Bäckerei in den Sand gesetzt hat, aus ihrem Appartement fliegt und wieder bei ihrer Mama einziehen muss und sich von einem Kerl ficken lässt, den sie bei klarem Verstand nur scheiße finden kann („but he’s so cute“). Wenn wir nur bei Annie geblieben wären, wäre wahrscheinlich ein banaler Chick-Flick dabei rausgekommen, den ich ähnlich zwiespältig gesehen hätte. So kann sie sich immer noch an ihrer direkten Konkurrentin um den Titel „Beste Freundin der Braut“ abarbeiten, was zu oben angesprochenen peinlichen Situationen führt. War alles okay, aber irgendwie total egal.
Was allerdings nicht egal war, war Melissa McCarthy als Megan, die als komplett gegen den Strich gebürstete Frau (vulgo: dick, ohne Make-up und unfeminin gekleidet) allen die Show stiehlt. Sie hat die besten Dialoge und ist die einzige Figur, die weiß, wer sie ist und was sie will. Und das kriegt sie dann auch immer. Als Nicht-Klischee. Das nehme ich mir mal als Botschaft mit.
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Der Bechdel-Test:
1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.
Es spielen weitaus mehr Frauen mit als Männer, und sie reden miteinander auch über Freundschaften und ihr Leben, aber blöderweise ist das Set-up eben eine Hochzeitsplanung, und deswegen kommen wir um die Kerle nicht ganz rum. Und ich nehme es dem Film ziemlich übel, dass Annies größtes Problem ihr Liebesleben und nicht ihre Arbeits- oder Wohnsituation ist.
Bechdel-Test bestanden: ja, doch, schon.